Imagination
und Aktive Imagination
Der Begriff Imagination kennzeichnet das bildhaft-anschauliche Vorstellen. Auch die Einbildungskraft, die Phantasie kann mit
diesem Wort gemeint sein. Der menschliche Geist ist fähig, sich Personen, Gegenstände, Situationen und Abläufe mittels der Vorstellung zu vergegenwärtigen, sozusagen mit den „inneren Auge“
anschaulich wahrzunehmen. Dies können tatsächliche Erinnerungen sein, aber auch das Phantasieren nicht erlebter Vorgänge ist möglich. Bildhaftes Vorstellen ist eine alltäglich-menschliche Fähigkeit.
Allerdings gibt es Menschen, die darüber nur mit großer Anstrengung verfügen.
In der Esoterik werden nun Techniken propagiert, mit denen das Entstehen innerer Bilder absichtlich gefördert werden soll, sogar bis hin zum aktiven Eingreifen
in dieses Geschehen (Aktive Imagination). Der vorliegende Artikel soll sich mit den erheblichen Gefahren dieser Praktiken für die Seele des Menschen befassen. Methoden mit Imaginationstechniken
sind beispielsweise:
- Oberstufe des autogenen Trainings
- katathymes Bilderleben
- Hypnose mit hypnagogen Bildern
- Psychotherapeutische Imaginationsübungen
- Klartraum
- Meditation
Die durch gezielte Übung imaginativ entstandenen Bilder und Bildsequenzen können sowohl durch Vorstellungsinhalte, Sätze und Gedanken beeinflusst werden, unterliegen aber auch einer unbewußten Eigendynamik. Sie werden somit – vergleichbar mit der Atmung - sowohl bewußt als auch unbewußt gesteuert. Bei Tiefen-Imaginationen wird die bewußte Kontrolle in einem Trancezustand so weit wie möglich zurückgenommen. Das „Ich“ gibt also, indem es sich den aufkommenden Bildern nahezu vollkommen überläßt, seine Autonomie zugunsten der inneren Figuren weitgehend auf (Passivität).
Imaginationstechniken werden oft mit Entspannungsübungen verbunden. Beide Methoden verstärken sich gegenseitig in der Wirkung. Der Klient soll: es sich bequem machen – sich entspannen – die Augen schließen – das Denken abschalten (wiederum Passivität!) – nach innen gehen – auf Empfang schalten.
Diese Anweisungen sind typische Trance- oder
Doorway-Techniken, die nachweislich zu veränderten Bewußtseinszuständen (altered states of consciousness) führen. In diesen „empfangsbereiten“ Zuständen läßt man dann innere Bilder auftauchen,
aufsteigen, sich entfalten. Es gibt Imaginationsformen, die durch einen „hypnotischen Anker“ noch zusätzlich vertieft werden.
Der New-Age-Kritiker Prof. Dr. R. Franzke schreibt dazu:
„Die hypnotische Revolution ist ein Angriff auf das Gebot Gottes, das fordert, der Mensch solle den Verstand benutzen (und nie ausschalten) und den Geist mit dem Wort Gottes füllen, und
nicht leer machen“
Aktive Imagination
Bei dieser von dem spiritistisch und okkult-erfahrenen Schweizer Tiefenpsychologen C.G. Jung
entwickelten Methode greift das „Ich“ aktiv in die Imagination ein, so daß es verändernd und verwandelnd in das bildhafte Geschehen eintreten kann. Jung gibt einem Patienten in einem Brief folgende
Anweisungen:
„Bei der Aktiven Imagination kommt es darauf an, daß Sie mit irgendeinem Bild beginnen... [...] Betrachten Sie das Bild und beobachten Sie genau, wie es sich zu
entfalten oder zu verändern beginnt ... [...] Ungeduldiges Springen von einem Thema zum andern ist sorgfältig zu vermeiden. Halten Sie an dem einen von Ihnen gewählten Bild fest und warten
Sie, bis es sich von selber wandelt. All diese Wandlungen müssen Sie sorgsam beobachten, und Sie müssen schließlich selbst in das Bild hineingehen.
Kommt eine Figur vor, die spricht, dann sagen auch Sie, was Sie zu sagen haben, und hören auf das, was er oder sie zu sagen hat. Auf diese Weise können Sie nicht nur Ihr
Unterbewußtsein analysieren, sondern Sie geben auch dem Unterbewußtsein die Chance, Sie zu
analysieren. Und so erschaffen Sie nach und nach die Einheit von Bewußtsein und Unbewußtem, ohne die es überhaupt keine Individuation gibt.“
Diese Beschreibung ist ein sehr aussagefähiges Beispiel für den gezielten Aufbau einer spiritistischen Kommunikation, einer Verbindung zur geistigen Welt. Die Teilnehmer werden damit angeleitet, wie sie eine Verbindung zu unsichtbaren Wesenheiten
aufbauen und mit ihnen sprechen können. Der arglose Anwender meint dabei meist, mit dem eigenen „Unbewußten“ oder mit „inneren Helfern“ zu kommunizieren; in Wahrheit handelt es sich aber um den
Kontakt zu geistigen Wesenheiten, wie er aus anderen esoterischen Disziplinen, wie Channeling, Schamanismus und gewissen
Meditationsformen bekannt ist.
Die von Jung angedeutete „Einheit von Bewußtsein und Unbewußtem“ durch Imagination ist also eine aktive Verbindung zur unsichtbaren Geisterwelt, eine Kontaktaufnahme mit dem Reich der
Finsternis (siehe Literaturhinweise unten, Els Nannen).
Seine Methode der aktiven oder kreativen Imagination ist eine gelenkte Vorstellung, in der Magie wird sie oft benutzt um etwas zu erhalten (Erkenntnis, Reichtum, Gesundheit, Macht) oder zu bewirken (Veränderung der Realität, Zuneigung, Gesundheit). Die Anweisungen und Techniken der Aktiven Imagination sind laut dem Erziehungswissenschaftler Prof. R. Franzke weitgehend identisch mit den "Stilleübungen" und "Fantasiereisen", die im zeitgenössischen Schulunterrricht durchgeführt werden.
Quellen und weiterführende Informationen:
Franzke, Prof. Dr. R.: Aktive
Imagination
Franzke, Prof. Dr. R.: Grundlagen der NAP (New Age Pädagogik)
Horst Koch: Verführungen
Els Nannen, C. G. Jung - Der getriebene Visionär (clv, Bielefeld) Download
Erstellt am 05.08.2015 * Update vom 02.09.2019