Offenbarung 2, 1-11
Das Sendschreiben an die Gemeinde in Ephesus
1 Dem Engel der Gemeinde zu Ephesus schreibe: Das sagt, der da hält die sieben Sterne in seiner Rechten, der da wandelt mitten unter den sieben goldenen Leuchtern: 2 Ich weiß deine Werke und deine Arbeit und deine Geduld und daß du die Bösen nicht tragen kannst; und hast versucht die, so da sagen, sie
seien Apostel, und sind's nicht, und hast sie als Lügner erfunden; 3 und verträgst und hast Geduld, und um meines Namens willen arbeitest du und
bist nicht müde geworden. 4 Aber ich habe wider dich, daß du die erste Liebe verlässest. 5 Gedenke, wovon du gefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke. Wo aber nicht, werde ich dir bald kommen und deinen Leuchter wegstoßen von seiner
Stätte, wo du nicht Buße tust. 6 Aber das hast du, daß du die Werke der Nikolaiten hassest, welche ich auch hasse.
7 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt: Wer überwindet, dem will ich zu essen geben vom Holz des Lebens, das im
Paradies Gottes ist.
„Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“ Dieses Wort trifft auch unser Ohr.
Die Botschaften, welche Christus jenen ersten Gemeinden durch Johannes sendet, will sein Geist durch die ganze Christenheit aller Zeiten hin allen denen für ihre Lage und Aufgabe eindrücklich und verständlich machen, die hören wollen wie ein Jünger (Jes. 50, 4). ER, der gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit ist (Hebr. 13, 8), wandelt auch heute durch die Gemeinden hin, und wo nur zwei oder drei Jünger auf seinen Namen hin beisammen sind, ist er mitten unter ihnen (Matth. 18, 20), und wer in Einsamkeit auf ihn hofft, den grüßt er durch den Heiligen Geist auch mit diesen Sendschreiben.
Den „Engeln der Gemeinden“ sendet er die Botschaften. Der Gedanke, daß Christus „Engeln“ im eigentlichen Sinn des Worts, also etwa den „Schutzengeln“ der Gemeinden durch einen Menschen Briefe schreiben lasse, ist unvollziehbar, auch wenn wir von allen sonstigen Gegengründen absehen. Sicherlich sind die verantwortlichen Leiter der Gemeinden hier als Gottes Boten bezeichnet.
Der Vorsteher der Gemeinde, der Botendienst an sie tun soll, hat ihr insbesondere auch kundzutun, was für sie die Botschaft zu sagen hat, die an ihn, den Vorsteher, ergeht.
Seit Jerusalem (im Jahre 70) gefallen und die Muttergemeinde der Christenheit zerstreut war, stand die Gemeinde von Ephesus als die bedeutendste da. Ephesus war Hauptstadt der Provinz Kleinasien, eine Stadt von wohl einer halben Million Einwohner, eine reiche und vornehme Stadt, aber auch Mittelpunkt heidnischen Aberglaubens und heidnischen Genußlebens. Die Apostelgeschichte erzählt uns (Apg. 18, 19ff; 19, 1ff) , was Paulus während dreier Jahre dort Großes gewirkt und erlebt hat; wir wissen auch, wie er die großen geistlichen Gefahren, die dort drohten, vorausgesehen hat(Apg. 20, 29f). Er hat noch selbst die Leitung der Gemeinde in die Hand seines Timotheus gelegt, und bald darauf ist Johannes dahin gekommen. Jetzt aber war er [Johannes], der vielleicht schon über zwei Jahrzehnte die Gemeinde geleitet hatte, fern von ihr, in der Verbannung.
Aber der HERR selbst hält den, der nunmehr an des Apostels Stelle in Ephesus steht, „in seiner rechten Hand“ (Vers 1), und läßt ihm damit sagen, daß er ihn immer vor seinen Augen und ganz in seiner Macht hat, ihn zu bewahren, aber auch ihn zu prüfen und zu richten in allem, was er ist und tut.
„Ich weiß deine Werke“, dein ganzes Verhalten und Wirken, spricht der Herr. Und indem wir dies lesen, wollen wir wieder bedenken: „Wer ein Ohr hat, der höre!“. Der Geist will uns dran mahnen:
Christus, der dich für sich erworben und in seinen Dienst gestellt hat, weiß, was du tust und wie du es tust. Er fragt uns, wenn wir diese oder jene Arbeit tun, ob wir, was wir tun, nicht bloß aus Lust oder aus Zwang oder aus Gewohnheit so tun, sondern um seinetwillen, als Knechte und Mägde dessen, der die Aufgaben und Gaben austeilt und Rechenschaft fordert.
„Arbeit und Geduld“, ein geduldiges Sichmühen und eine Regsamkeit bei allem geduldigen Zuwarten rühmt Jesus an dem Vorsteher und gibt ihm das Zeugnis, daß er, ohne zu ermüden, seine Lasten getragen habe ihm zulieb. „Um meines Namens willen“, das erkennt ihm der zu, in dessen Namen sich alle Kniee beugen müssen (Phil. 2, 10; Röm. 14, 11; Ps. 72, 9). Daß Jesu Wille in der Gemeinde herrsche und Jesu Person, Werk und Wort auch außerhalb der Gemeinde gesucht und erkannt und geehrt werde, dafür hat sich der Gemeindeleiter eingesetzt. Und das hat ihm viel Arbeit gemacht. Er stand in ausharrendem Kampf gegen böse Leute, die in der Gemeinde die Geister verwirrten und verführten. Falsche Apostel traten auf, von außen hereinkommend wie „Wölfe, die in die Herde einfielen“ (Apg. 20, 29). Das waren jüdische Männer der Art, wie Paulus schon sie überall, so namentlich in Galatien und in Korinth, hatte bekämpfen müssen, Leute, deren Irrlehren der Kolosserbrief schildert (Kol. 2, 26-23). Sie drängten sich ein mit dem Vorgeben, daß sie unmittelbareren Zusammenhang mit dem Herrn und darum zuverlässigere Autorität beanspruchen können als der Schülerkreis des Paulus, dessen Evangelium der Gemeinde ihr Gepräge gegeben habe. Und daneben suchte das Widerspiel der jüdischen Gesetzestreiberei Eingang in Ephesus: Die Lehre und das Treiben der Nikolaiten, welche den Ernst der christlichen Zucht brechen und heidnischem Wesen die Bahn frei machen wollten. Den Kampf gegen diese Verführer von rechts und von links führte der verantwortliche Leiter der Gemeinde mit durchgreifend klarem Urteil, mit fester Entschiedenheit und unermüdlicher Beharrlichkeit, und was die Krone seines Eifers ist, nicht um sich selber zur Geltung zu bringen, nein: „Um meines Namens willen“, spricht der Herr.
Den rechten Haß erweist er, wie er seinem Herrn gefällt (Vers 6), aber - „ich habe wider dich, daß du deine Liebe, die erste, verlassen hast“. Wo ist die Liebe hin, die ihn ehedem beseelte und sein Wirken weihte? Er steht noch fest im Glauben, er eifert für Reinheit der Lehre und des Wandels in der Gemeinde, er ist nicht matt geworden im Dulden und im Arbeiten. Aber „das Band der Vollkommenheit“ (Kol. 3, 14) , die Liebe, ist schlaff geworden. Wo sie nicht alle die einzelnen Christentugenden und alles das vielgestaltige Christenwirken zur festen Einheit verbindet, da ist es kein Christenleben mehr aus e i n e m Guß, es fehlt die innere Harmonie und darum fehlt es bald da und bald dort am richtigen Zusammenklang im Wirken. Es gibt Misstöne, Verstimmungen, Trübungen, Unklarheiten, Unsicherheit und Parteilichkeit. Sachliche Pflichttreue und große Opferwilligkeit, und zwar dem Herrn Christus zu Dienst, können noch weiter bestehen, aber der Kanal ist nicht mehr offen, durch den lebendiges Wasser von Christus uns zuströmt, sodaß auch von uns aus Ströme lebendigen Wassers fließen könnten (Joh. 7, 37f).
Nicht daß alle Liebe in ihm erstorben sei, wirft Jesus seinem Knechte vor; aber er steht nicht mehr auf der Höhe, er ist gesunken und vom früheren Stand gefallen, und wenn er nicht umkehrt zu dem Herzensbund mit Christus, durch den er erst befähigt wird, aus liebendem Herzen den einzelnen Seelen und der ganzen Gemeinde zu dienen, dann wird er weiter sinken und wird es an seiner Gemeinde büßen müssen: sie wird ausgeschieden aus der Reihe der Gemeinden, unter denen der Herr wandelt und waltet; ihr Licht erlöscht durch des Vorstehers Schuld. – O schwerste Strafe, wenn an denen, für die wir verantwortlich sind, gerächt wird, was wir verschulden!
Es ist des Hörens wert für uns alle, was der Herr hier seinem Knechte sagt, und zwar darum ist es doppelt der Mühe wert, weil jedem, der siegt, ein ewig herrliches Gut durch den geschenkt wird, der uns selbst zum Siege hilft, Jesus Christus. Einst waren im Paradies Gottheit und Menschheit in heiliger und seliger Gemeinschaft geeinigt; nicht Sünde und Tod traten zwischen Schöpfer und Geschöpf. Das soll denen, die siegen, viel herrlicher einst noch zuteil werden in der künftigen neuen Schöpfung, in die sie am Ende der Dinge eingehen dürfen. „Christi Gott“ *), der Schöpfer der irdischen und der himmlischen Dinge, der gegenwärtigen und der zukünftigen Welt, wird um seines Sohnes willen auch unser Gott sein und uns zu sich lassen ins künftige Paradies, wo wir mit ihm zusammen sein sollen, so wie es das irdische Paradies als schatten vorbildete. Da sollen wir, weil der Fluch des Sündenfalles weggenommen ist, essen dürfen vom Baum des Lebens, d. h. des ewigen Lebens für unsere ganze geistleibliche Persönlichkeit teilhaftig werden, und Christus, der den Fluch davon weggenommen hat, daß wir nach so mancher verbotenen, todbringenden Frucht gegriffen haben, will uns selbst die Frucht des Lebensbaums, das ewig herrliche Auferstehungsleben, darreichen.
*) In manchen Handschriften heißt es: „im Paradies meines Gottes“.
Autor: Dr. Christian Römer, Prälat und Stiftsprediger in Stuttgart. Aus: Die Offenbarung des Johannes
Dem Engel der Gemeinde zu Ephesus schreibe: Das sagt, der da hält die sieben Sterne in seiner Rechten, der da wandelt unter den sieben goldenen Leuchtern (2, 1):
In dem Brief, der die Reihe der sieben Briefe anführt, werden alle sieben Sterne und zugleich alle sieben Leuchter zusammengenommen. Hiermit wird die unumschränkte Gewalt Jesu Christi über die Gemeinden und zugleich seine Gegenwart und Aufsicht angezeigt. Unbegreifliche Gegenwart des Herrn bei den Seinen auf Erden, an der ihn seine Himmelfahrt nicht hindert! Wenn wir diese Gegenwart und Gewalt allezeit bedächten, wie würden wir in der Einsamkeit und in der Gesellschaft, bei der Betrachtung des göttlichen Wortes und bei der Übung des Gebetes und besonders auch in den Versammlungen so ehrerbietig und wacker sein! Dies ist eine köstliche Übung für eine redliche Seele, wenn sie sich gewöhnt, an die Gegenwart des Herrn sich zu halten, so daß sie zu ihm sagen kann: „Du, Herr, bist bei mir; ich sehe dich nicht, du siehst mich. Ich darf dich aber anreden, als ob ich dich vor Augen hätte. Wandle immer mit mir und gib, daß ich mich im Glauben so an dich halte, als ob ich dich schon vor Augen hätte.
Ich weiß deine Werke und deine Arbeit und deine Geduld und daß. du die Bösen nicht ertragen kannst, und hast geprüft die, welche sagen, sie seien Apostel, und sind's nicht, und hast sie als Lügner erfunden (2, 2).
Ein feines Lob! Dieses „Ich weiß“ soll uns durchscheinen, durchdringen, durchläutern und, wo es etwas Gutes bei uns antrifft, ermuntern. Werke sind gut, wenn man sich die Mühe nicht verdrießen läßt; die Mühe wird ohne Verdruß unterhalten durch die Geduld, so daß man nicht erliegt. Bei der Geduld war eine löbliche Ungeduld. Es ist nicht fein, böse Leute, die in Untugenden stecken, mit Kaltsinnigkeit gegen das Gute tragen zu können. Es heißt nicht nur: Hanget dem Glauben an! sondern auch noch vorher: Hasset und verabscheuet das Arge! Da muß man es nicht als gleichgültig ansehen. Es gilt keine eigenwillige und mürrische Unverträglichkeit, sondern ein rechter Haß gegen das Böse, so daß einem auch die Bösen zur Last werden. Wo Liebe zu Gott ist und sie auf etwas Feindseliges stößt, da kommt der Eifer dazu. Als Jesus von der Verklärung auf dem Berg zurückkam und das ungläubige, verkehrte Geschlecht antraf, mit dem er sich abschleppen mußte, sprach er: Wie lang soll ich euch dulden?
Der Herr nimmt bei den Gemeinden eine Musterung und Reinigung vor, indem er in Ephesus die falschen Apostel, in Smyrna die Juden, in Pergamon und Thyatira das heidnische Unwesen hinaustrieb. Die falschen Apostel waren keine Unchristen, sondern dem Äußern nach sehr alte und vornehme Christen und Lehrer, sonst hätten sie sich nicht als Apostel ausgeben können, die Christus einst während seines Erdenwandels gesehen hatten. Sie waren bei all ihrem Ruhm und Schein falsche und lügenhafte Apostel, die die Lauterkeit des Zeugnisses von Christus verloren hatten. Es war gut und der Ehre des Herrn gemäß, daß nun der Gemeindeengel sie geprüft und als Lügner erfunden hatte; dadurch wurden die Seelen vor der Verführung bewahrt. Wir müssen nicht so blöde sein, daß wir alles, was einen schönen Namen führt, sogleich annehmen, weil wir uns andernfalls vor einer Versündigung fürchten. Wir müssen alles prüfen.
Die falschen Apostel haben beinahe sogar Paulus verdrängt. Wenn man betrachtet, wie ernstlich Paulus mit ihnen verfährt, dann möchten Leute, die alles für bekannt annehmen, meinen, er sei ein gar zu strenger Orthodoxer gewesen; aber eben solches Verhalten lobt hier der Herr an dem Gemeindeengel zu Ephesus. Es ist etwas Köstliches, wenn man das, was einen guten aber leeren Schein hat, mit rechter Gewißheit entleeren und entkräften kann. Es ist zwar nicht jedermanns Ding; die wenigen, die vor dem Riß stehen, sind um so besser daran. Man hat nicht danach zu fragen, ob die Menschen einen dafür loben und lieben oder nicht. Es ist genug, wann der Herr sein Wohlgefallen daran hat. Etwas Lauteres, wenn auch nicht allzuviel, ist besser als ein Haufen vermischten Zeugs. Paulus hatte früher gesagt, daß in Ephesus, wann er nicht mehr da sein werde, schädliche Wölfe daherkommen und aus ihren Reihen verkehrte Lehrer aufstehen werden; da hatte nun der Gemeindeengel genug zu tun und zu leiden. Daher heißt es noch einmal mit einem Zusatz: und hast Geduld und hast um meines Namens willen Last getragen und bist nicht müde geworden (2, 3). Nichts kann einen so müde machen als falsche Leute; aber dieser Gemeindeengel wurde dennoch nicht müde.
Aber ich habe wider dich, daß du die erste Liebe verlässest (2,4).
Es gibt eine Liebe und auch eine erste Liebe zu Gott und Christus und auch zu Brüdern, Zuhörern und andern Menschen. Es ist um jene Liebe, besonders solange sie noch frisch und neu ist und die Seele durch das Wort der Gnade erstmals erweckt wird, etwas sehr Liebliches, Ruhiges, Süßes und Zartes, daß nichts in der Natur und im Erlebnis der Natur damit zu vergleichen ist. Wie diese Liebe sich gegen alles Widrige mächtig wehrt, so soll die Seele beflissen sein, sie unversehrt und ununterbrochen zu erhalten. Sie soll bedacht sein, sich je eher, je lieber wieder in sie hineinzufinden, wenn sie davon abgewichen wäre.
Hier ist die Rede von der Liebe der zweiten Gattung. Alle Arbeit an andern, die etwas taugen soll, muß aus der Liebe fließen; aber über der Arbeit vergißt man oft die Liebe. So gehört nun eine große Vorsicht dazu, daß man, wenn man das Gute um sich herum auszuüben und zu fördern trachtet, sich nicht an der Hauptsache eines Versäumnisses schuldig mache. Wir sollen unsern größten Fleiß daran wenden, daß wir in der Liebe bleiben. Sie soll das Regiment führen; hernach ist es gut, Arbeit, Geduld und Unverdrossenheit zu beweisen, die Bösen nicht zu ertragen, aber um des Namens Christi willen zu tragen, die Lügner zu entdecken usw. Es ist etwas Klägliches, den ersten Stand zu verlassen. Wenn man auch schon wieder zu etwas kommt, so ist es doch nicht das Vorige, es wäre denn, daß eine Seele, nachdem sie gewitzigt worden ist, sich um so eifriger bezeugte. Die himmlische Treue sucht zu diesem Zweck die Gefallenen wieder.
Gedenke, wovon du gefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke! (2, 5)
Es ist um die Liebe ein seliger Stand und um das Verlassen der Liebe ein kläglicher Fall. Solch ein Fall geschieht durch die leidige Vergessenheit. Wer nun zurückdenkt, wie gut es vorher um ihn stand, und dann nicht nur fortfährt, ein wenig Gutes zu wirken, wie es ihm vorkommt und wie es ihm gerade ist, sondern eine gründliche Überlegung anstellt, der kann sich wieder erholen. Von den Engeln der sieben Gemeinden waren zwei in einem guten Zustand, und von diesen wird keine Buße gefordert. Die übrigen waren teils in einem bösen, teils in einem vermischten Zustand wie der in Ephesus. Sie alle oder die so belasteten Leute in den Gemeinden sollen Buße tun. Wo eben etwas Unrichtiges ist, da muß es reumütig gebessert und die Lücke gebüßt, das ist: ausgefüllt werden. Buße ist nichts Fürchterliches, auch nicht, wenn man das deutsche Wort an sich betrachtet. Es bedeutet keine Strafe, sondern eine Besserung, wie etwa einer, der krank, verirrt oder gefallen ist, wieder gesund gemacht, zurechtgewiesen und aufgerichtet wird. Das sind lauter gute Sachen, doch wird der Mensch nicht dazu gezwungen
Wo aber nicht, werde ich über dich kommen und deinen Leuchter wegstoßen von seiner Stätte. wenn du nicht Buße tust (2, 5).
Dies ist eine ernsthafte Drohung. Es wird, wie wir hernach vernehmen werden, die Zukunft des Herrn nach und nach näher angekündigt, und hier heißt es zum ersten Mal: Ich komme über dich, daß du es fühlen wirst. Die Rede handelt von der herrlichen Zukunft Christi, wie sie eben hier in und mit der Offenbarung anbricht; denn es folgt: Ich werde deinen Leuchter wegstoßen, das ist, du wirst ein Engel ohne Gemeinde werden und allein bleiben, da die, die in der Liebe rechtschaffen sind, entweder in andere Orte geführt oder gar in das himmlische Vaterland versetzt werden.
Aber das hast du, daß du die Werke der Nikolaiten hassest, welche ich auch hasse (2,6).
O wie treu ist der Heiland! Wie genau merkt er das, wodurch eine Seele noch am besten zurechtzubringen ist! Wenn dein Bruder etwas wider dich hat, dann bringe es in Ordnung; aber dies gilt auch, wenn Jesus etwas wider dich hat, du magst sonst etwas Gutes haben oder nicht. Die Nikolaiten waren garstige Leute, die unter dem Bekennen des Namens Christi sich der Unzucht und fleischlichen Freiheit ergeben hatten. Jesus haßte ihre Werke, und dieser Engel der Gemeinde haßte sie auch. Der Herr Jesus wußte um diesen Haß. Er sieht das Gute und das Böse in uns und an uns; er unterscheidet alles und wiegt alles genau ab.
Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt: Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem Baum des Lebens, der im Paradiese Gottes ist (2, 7)
„Was der Geist sagt“, ist hier das Verheißungswort Christi auf die Güter der zukünftigen Welt, für die der Geist das Pfand ist. Doch faßt es nicht jedermann; es ist etwas Geheimes und nur für den, der ein Ohr hat. Mit den Ohren hört man eine laute Stimme; in das Ohr sagt man etwas Besonderes. Die Verheißungen enthalten viele und große Dinge, die weit in das Zukünftige und in jene Welt hineinreichen, für die die Welt keine Ohren hat.
Man überwindet, wann der Kampf wohl und völlig hinausgeführt wird; und das geschieht im Tode. Alles Sterben heißt für die Welt „überwinden“. Auch wann ein Gottloser nach einer harten Krankheit und nach langem Kampf gestorben ist, dann sagt man, er habe überwunden, und wenn er in seinem ganzen Leben wider Gott gestritten hätte. Wer den guten Kampf gekämpft hat, der überwindet erst, wie Christus überwunden hat. Es steht nicht dabei, was man zu überwinden habe. Man muß alles überwinden, was sich einem entgegenstellt, damit man jene Verheißungen erlangen kann; allermeist aber muß man den Hauptfeind, den Bösewicht, überwinden, in dem die Welt liegen bleibt. Die ganze Lebenszeit ist ein Kampf. Was man Gutes erfährt, wird nur einstweilen zur Ausrüstung eines guten Streiters dargereicht. Wer hier etwas nach Art einer göttlichen Belohnung sucht, ist nicht zum besten daran. Nach dem Tod und Sieg fängt die Belohnung an, doch nicht erst nach dem Jüngsten Tag, sondern bei vielen auch noch vorher. Der Herr über alles, Jesus Christus, der große Überwinder, verheißt den Genuß großer Güter und die Freiheit von allem Bösen. Bei einem jeden von beiden Stücken wird allemal das andere mit angedeutet.
Lauter Leben verspricht Christus den Seinen: sie sollen die Krone des Lebens bekommen; sie sollen essen vom Holz des Lebens; sie sollen trinken vom Wasser des Lebens auf eine Weise, die in diesem Leben unbegreiflich ist. In diesem Betracht ist der Tod für nichts zu achten. Wer hat Lust und Liebe zu den Früchten des Paradieses? Der verzichte auf allen falschen Geschmack an irdischen Dingen. Er lasse sich davon entwöhnen und sich dagegen ermuntern zu tapferem Kampf durch die Begierde nach den himmlischen Erquickungen. In so kurzen Worten liegen große Dinge. Ein leichter Sinn schleift darüber hin; wer aber auf alles merkt und es sich auch selbst gesagt sein läßt, der kann zu großer Kraft kommen. Nun was der Geist sagt, das wollen auch wir uns durch das Ohr in das Herz gehen lassen.
Autor: Johann Albrecht Bengel Quelle: glaubensstimme