Kolosser 1

Kolosser 1, 12.13

Und danksaget dem Vater, der uns tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht; welcher uns errettet hat von der Obrigkeit der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes.

Parallelstelle zu V. 12: 1. Petrus 1, 4

... zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das behalten wird im Himmel 

Andacht von Dora Rappard

Ein hochgestellter deutscher Offizier erzählte einmal in öffentlicher Versammlung, er sei in seiner militärischen Laufbahn verschiedene Male versetzt worden, von Garnison zu Garnison, von Süd nach Nord; aber keine Versetzung sei so durchgreifend gewesen als die eine, da er versetzt worden sei von der Obrigkeit der Finsternis in das Reich Jesu Christi. Es sind je und je solche "Versetzungen" in auffälliger Weise geschehen. So bei dem Apostel Paulus, der aus der Verblendung des Pharisäertums mit einem Schlag versetzt wurde in die Gemeinschaft der begnadeten Jünger Jesu. - Aber solch eine Versetzung, wenn auch oft zunächst verborgen, ist für jeden Menschen nötig, der selig werden will. Im Boden der Natur, um ein anderes Bild zu brauchen, wächst die heilige Gottesliebe nicht. Die Pflanze muß  v e r s e t z t  werden in den Boden der Gnade; dann erst gedeiht das innere Leben. 

Zwei Gebiete werden hier genannt: d i e  O b r i g k e i t  d e r  F i n s t e r n i s und  d a s  R e i c h  d e s  l i e b e n  S o h n e s.  Zu welchem gehörst du? Es gibt eine Errettung, eine Versetzung. Sage dem Vater Dank, wenn er dieses gnadenvolle Werk an dir getan hat. Rufe ihn um Rettung an, wenn du es noch nicht erfahren hast. Nur bleibe nicht gleichgültig!

Vater, ich danke Dir, daß Du mich von der Obrigkeit der Finsternis errettet und mich versetzt hast in das Reich Deines lieben Sohnes. Laß mich ein treuer Untertan sein und bleiben.

Dora Rappard war die Tochter des späteren Bischofs von Jerusalem, Samuel Gobat.

Betrachtung aus "Praktische Auslegung des Briefes an die Kolosser" von D. G. Thomasius

„Welcher uns errettet hat aus der Obrigkeit der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes." Vor allem will die Gegenüberstellung der beiden Reiche ins Auge gefaßt sein. Das alte Reich nennt er die Obrigkeit „der Finsternis". Die Finsternis ist das Element des Teufels, welcher selbst von dem Licht abgefallen, durch Sünde und Lüge die Welt beherrscht, und alles was der Sünde dient in einem Reich zusammenfaßt, dessen Wesen die Nacht der Gottentfremdung, die absolute Finsternis ist, das will sagen: eine Nacht, ohne auch nur einen Schein des Lichtes, ohne einen Strahl der Hoffnung, ohne einen Funken göttlichen Lichtes — ein ödes, grauenvolles Reich des Todes, denn Tod und Nacht sind Korrelate; ein Wort, dessen Bedeutung sich mehr fühlen als aussprechen läßt. Eine Obrigkeit nennt es der Apostel, weil es eine herrschende Macht, ein sozusagen organisiertes Machtreich ist, dem niemand entfliehen kann, wer ihm einmal angehört. Und es gehört ihm die ganze alte adamitische Menschheit an, selbst die Ungläubigen innerhalb der Christenheit (Epheser 2, 1 — 3). Wir nun gewahren freilich nur die Erscheinung dieser dunkeln Gewalt in den mannigfaltigen Gestalten der Sünde und Lüge, wir sehen das Böse in unseren eigenen Herzen und die offenbaren Werke des Fleisches, des Zornes, des Hasses um uns her, und lassen uns deshalb leicht zum Zweifel an dem Dasein eines objectio Bösen betören; aber das erleuchtete Auge des Apostels erblickt hinter der äußeren Erscheinung die verborgene Ursache und läßt uns als den letzten Grund derselben eine persönliche Macht des Argen erkennen, die in dem Lügner von Anfang sich konzentriert (Joh. 8, 44; Eph. 6, 10 ff.). In dieser Erkenntnis liegt der mächtigste Impuls zum Abscheu vor der Sünde; denn eben sie ist das Band, das uns mit jenem Reich verbindet, die Handhabe, an der es uns festhält und in seine Tiefen hinabzieht (also: der verborgene Zusammenhang zwischen der menschlichen Sünde und dem Reich des Teufels). Aus seiner Gewalt nun hat uns Gott errettet, nämlich zunächst durch die Erlösung, näher durch die Taufe, denn die Taufe ist die Gottestat, die den Einzelnen dem Bereich der alten, adamitischen Menschheit entnimmt, und ihn versetzt, gleichsam hineinpflanzt, wie man einen Baum aus dürrem Erdreich in einen guten Boden verpflanzt — in das Reich seines lieben Sohnes. Das ist dasselbe Reich, welches oben das Erbteil der Heiligen hieß; hier wird es mehr nach Seite seiner Lieblichkeit charakterisiert, um den Gegensatz gegen die Obrigkeit der Finsternis noch mehr hervorzuheben. Ein Reich seines Sohnes nennt es Paulus; damit stellt er die Herrscher beider einander entgegen: dort der Fürst der Welt, der Lügner und Mörder, hier Gottes eingeborener Sohn, das Ebenbild seines Wesens, dort die tyrannische Gewalt der Finsternis, hier das königliche Regiment der Liebe. Denn dieser König ist Gottes lieber Sohn, oder, wie es genauer heißt „der Sohn seiner Liebe," der absolute Gegenstand derselben, auf dem das ganze volle Wohlgefallen des Vaters ruht (Matth. 3, 17), der in vollkommenster Liebesgemeinschaft mit dem Vater steht, „das Herz seiner Liebe" (Luther), — und diese Liebe des Vaters zum Sohne geht über auf alle, die durch den Glauben an ihn seines Reiches Glieder werden. Welche Aufforderung, welche Verpflichtung für sie zum Dank und zur Gegenliebe! Wie selig ruht sich's im Schatten dieses Reiches, am Herzen dieses Königs! — „An welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden," setzt der Apostel hinzu, um ihre Freude völlig zu machen. Es ist dies die andere Seite des Gnadenaktes, der uns zur Teilnahme an jenem Reiche befähigt: die Sündenvergebung — ein allbekanntes Wort, das fast jedermann im Munde führt und dessen Sinn und Bedeutung doch nur von wenigen gewürdigt wird. Denn der versteht es nur, wer selbst erkannt und erfahren hat, was es um das Wesen der Sünde im Verhältnis zu Gott dem Richter ist. Im Verhältnis zu ihm aber ist sie Schuld, Versündigung an seiner Heiligkeit, Verletzung seiner Majestät, Beleidigung Gottes; darum erregt sie seinen Zorn, der den Sünder unter das Gericht beschließt und sich wie ein brennendes Feuer in sein Gewissen einsenkt, ihm innerlich seine Verlorenheit bezeugend — das tiefste Weh für den Menschen, schneidender als selbst die äußere Strafe, am schneidendsten für den, der bereits einen Blick in Gottes Herz getan. Da verstehen wir nun wohl, warum uns ohne Vergebung der Sünden die Türe jenes Reiches verschlossen bleiben muß, aber auch, welche nicht hoch genug zu preisende Gnade die Vergebung ist. Denn durch sie werden wir dem lastenden Joch des Fluchs entnommen, von der uns verklagenden Schuld erlöst, von ihrer Befleckung rein gewaschen, aus verlorenen Kreaturen Kinder Gottes. „Selig, wem die Sünde bedeckt ist, wem die Missetat vergeben ist, wem der Herr die Übertretung nicht zurechnet" (Ps. 31). Und diese Vergebung haben wir in Ihm. Sie ist die Frucht seines Todes, durch sein Blut erworben, dem Glauben verheißen; aber nicht so, als ob sie uns nur einmal zu Teil würde, etwa an der Pforte des Reiches in der Taufe: sondern wir haben sie in Ihm, in seiner Person, welche die leibhaftige Versöhnung ist (1. Joh. 2,2); als ein Gut haben wir sie, aus dem wir immer aufs Neue nehmen, aus dem wir, als aus einem offenen Born im täglichen Gebet schöpfen dürfen. Wo aber Vergebung der Sünden ist, da ist auch Leben und Seligkeit.

Wer nun diese selige Erfahrung an sich gemacht hat — und jeder kann es — dessen Leben wird sicherlich ein fortwährendes, lautes Dankgebet gegen die Gnade Gottes in Christo.

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